Appollon, Avaris, Cryptonia, Monopoly, Tochka oder Whitehouse – die Amazons und eBays des Darknet, die sich als Hidden Services, Darknet Markets (DNM) oder anonymous online Markets im Dark-Web verbergen, tragen teils kryptische Bezeichnungen. Auf diesen illegalen Marktplätzen lässt es sich ähnlich shoppen wie auf Amazon und Co, aber mit einem ent- scheidenden Unterschied: Bezahlt wird in Form einer digitalen Währung, wie beispielsweise Bitcoin. Doch selbst hierzu werden Schritt-für-Schritt-Anleitungen für Newcomer geliefert. Versendet werden die Produkte dann oft einfach per Post, über DHL oder andere Lieferdienste. Das Risiko, dass ein Luftpolsterkuvert oder Paket innerhalb der EU geöffnet wird, liegt für Verkäufer wie Käufer praktisch bei null. Der Versand in die USA ist da schon problematischer: Dort wird jedes Paket automatisch als verdächtig eingestuft und geöffnet, ganz besonders, wenn es etwa aus den Niederlanden stammt. Das ist übrigens auch der Grund, warum Briefkästen in deutschen Grenzgebieten zu den Niederlanden ständig überfüllt sind. Die Niederlande gelten – angesichts ihrer freizügigen Drogenpolitik – als eine der Hochburgen im internationalen Drogen-Business.
Das Geschäft im Darknet boomt, obwohl die Lebenszeit der Marktplätze im dunklen Teil des Web relativ kurz ist. Viele sperren binnen weniger Monate wieder zu, manche sind aber auch für ein paar Jahre aufrufbar. Doch länger als fünfeinhalb Jahre hat dort bisher noch kein Marktplatz überlebt – entweder, weil der Markt ins Visier der Ermittler geraten ist oder weil die Betreiber bereits genug verdient oder müde geworden sind. Rekordhalter ist der Dream Market. Gegründet wurde Dream Market im November des Jahres 2013, geschlossen hat der Online-Marktplatz im April 2019 und seine Dienstleistungen einem „Partnerunternehmen“ übertragen, das allerdings nie aktiv wurde.
Kurzfristige Ermittlungserfolge
2019 war ein sehr turbulentes Jahr für das Darknet. Nicht, dass man sich um die Organisierte Kriminalität im Web Sorgen machen müsste, aber in diesem Jahr gab es für das Darknet doch einige Rückschläge zu verkraften. Nach dem Ende von Dream Market im April wurde der Wall Street Market im Mai von Europol und dem deutschen Bundeskriminalamt abgeschaltet. Im September desselben Jahres wurde eines der wichtigsten Rechenzentren des Darknets in Deutschland ausgehoben. Einen Monat später wurde der Berlusconi Markt, der sich auf gefälschte Dokumente spezialisiert hatte, nach einer Razzia der italienischen Polizei gesperrt. Leider waren das nur kurzfristige Ermittlungserfolge. Wird ein Markt gesperrt, öffnet wenig später ein anderer. Hießen sie gestern Cryptonia, Samsara oder Empire, so benennen sie sich heute einfach um. Meist verwenden sie hierzu Begriffe aus dem spirituellen Umfeld, die durchaus auch diversen Computerspielen entstammen könnten.
Ein Katz-und-Maus-Spiel
Die Polizei liefert sich mit diesen Kriminellen ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Behörden beschränken sich fast ausschließlich darauf, zu reagieren. Nur selten ergreifen sie selbst die Initiative, denn dafür fehlt es meist an finanziellen und personellen Ressourcen. Die Polizei kann also selbst erst aktiv werden, wenn ihr bereits ein großer Fang gelungen und sie dabei auf wert- volles Datenmaterial gestoßen ist. Mit zum Teil aufwendigen Analysen und Recherchen werden die Daten dann in Informationen umgewandelt, mit denen die Polizei auch arbeiten kann: Lieferorte, Adressen, ja sogar Namen im Klartext. So können Cyberkriminelle attackiert werden, beispielsweise indem man ihnen raffinierte Fallen stellt. Wie das geht, zeigt die Geschichte über den Niedergang des Darknet-Marktplatzes Hansa:
Bevor Hansa im Sommer des Jahres 2017 gesperrt wurde, gehörte es zu den größten Märkten im Darknet. Im Rahmen der verdeckten Operation „Bayonet“, an der neben Europol auch die niederländische Nationalpolizei und die US-amerikanische DEA beteiligt waren, wurde der Markt, unbemerkt von der Szene, durch die Polizei übernommen. Die Operation Bayonet führte zur Schließung von Hansa und AlphaBay, die Operation erstreckte sich über mehrere Länder, unter anderem Thailand, wo der Gründer der Seite AlphaBay, der Kanadier Alexandre Cazes, mithilfe eines Tricks verhaftet wurde. Da man seinen genauen Aufenthaltsort kannte, fingierte man vor seiner Villa einen Verkehrsunfall und durchbrach mit einem Auto das Tor zum Gelände. Als Cazes – telefonierend – aus dem Haus stürmte, wurde er von den Polizisten überwältigt. Mit den Computern in seinem Haus war er noch direkt auf AlphaBay eingeloggt, wodurch den Beamten wertvolle Informationen wie IP-Adressen und vieles mehr in die Hände fielen. Wenige Tage nach seiner Festnahme wurde Cazes tot in seiner Zelle in Thailand aufgefunden, er hatte sich erhängt.
Die Kleinen kommen meist ungeschoren davon
„Üblicherweise fischt man die Daten ab und holt sich dann die dicken Fische“, schildert mir ein Ermittler und sagt weiter: „Die Kleinen gehen meist straffrei aus, weil dafür Zeit, Geld und Personalressourcen fehlen.“ Wer sich also einmal Crystal Meth im Darknet besorgt hat und in der Datenbank erscheint, hat gute Chancen, ungeschoren davonzukommen. Fakt ist – auch das hat die Schließung des Hansa-Markts gezeigt: Sobald ein Markt sperrt, wechseln Händler wie Käufer auf andere Plattformen. Diese Migration wird von den Behörden mit Argusaugen beobachtet. Allerdings ist es ein Kampf gegen Windmühlen, den gesamten Darknet-Handel bekämpfen oder gar in den Griff bekommen zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Das Business wächst stetig, das Verbrechen verlagert sich immer mehr von der analogen in die digitale Welt.
Mehr zu diesem Thema gibt es im Buch „Internet of Crimes“:
+ Wie man mit dem Zwiebelprinzip in die (illegale) Anonymität gelangt
+ Wie die Infrastruktur des Bösen im Web funktioniert
+ Warum Amazon ein Vorbild für Darknet-Marktplätze ist
+ Warum im Darknet Kriminelle Kriminelle attackieren
+ Wie Bulletproof-Hosting-Services funktionieren
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